Unser Star in Hollywood wird 80 Udo Kier - der Großmeister der Merkwürdigkeit
14.10.2024, 17:01 Uhr Artikel anhören
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Die Anekdoten über sein Leben würden ganze Bücher füllen: Udo Kier hat im Laufe seiner Hollywood-Karriere voller glücklicher Zufälle einiges erlebt. Nun wird der gebürtige Kölner, der in fast 250 Filmen mitgewirkt hat, 80 Jahre alt.
Langweilig ist es Udo Kier in seiner so kuriosen wie beeindruckenden Karriere bestimmt nicht geworden. Bis heute wirkte der Mann mit den unergründlich stechenden grünen Augen in fast 250 Filmen unterschiedlichster Genres mit, hinzu kommen über 100 Episoden in Fernsehserien und zahllose Jobs als Synchronsprecher. Wenn ihn die Leute interessierten, mischte er auch immer wieder mal in Musikvideos mit, wie etwa für Madonna in "Deeper and Deeper" oder für die Metal-Band Korn in "Make Me Mad".
Der deutsche Hollywood-Star mit dem rheinischen Akzent gilt als Großmeister der Merkwürdigkeit - und schafft es als vielgebuchter Nebendarsteller immer wieder, mit seiner außergewöhnlichen Präsenz Filmen eine besondere Note zu verleihen. Kier hat in so vielen Filmen mitgespielt, dass es fast unmöglich ist, ihn noch nie auf der großen Leinwand gesehen zu haben, ob nun in Horror-Trash-Klassikern wie "Hexen bis aufs Blut gequält" (1969), Meisterwerken wie Gus van Sants Roadmovie "My Private Idaho - Das Ende der Unschuld" (1991) oder schrillen Science-Fiction-Komödien wie "Iron Sky" (2012). Selbst im "Tatort" und beim "Polizeiruf 110" wirkte der im kalifornischen Palm Springs lebende Schauspieler schon mit.
Die vielen Eindrücke, die Udo Kier während seiner langen Laufbahn gesammelt hat, führen dazu, dass er in Interviews oft wie eine lebende Anekdotenmaschine wirkt. Nur über sein Liebesleben spricht er nicht gern. Mehr als der Umstand, dass er seit mehr als 20 Jahren eine Beziehung zu einem Mann führt, ist nicht bekannt. Stattdessen hat Kier einige Lieblingsgeschichten, die er immer wieder gerne aus dem Hut zaubert, um deutlich zu machen, wie viele unglaubliche Zufälle seinen Weg zum Hollywood-Star säumten.
Eine Karriere voller glücklicher Zufälle
Dieser hätte beinahe schon kurz nach seiner Geburt am 14. Oktober 1944 in Köln-Mülheim ein jähes Ende gefunden, als alliierte Fliegerverbände die Stadt bombardierten und er mit seiner Mutter in den Trümmern des Krankenhauses verschüttet wurde.
Mit dem Krieg habe auch seine Entdeckung als Schauspieler zu tun. Da er in seiner von Armut geprägten Kindheit keine weiterführende Schule besuchen konnte, zog er 1963 nach London, um dort Englisch zu lernen und sich als Tellerwäscher durchzuschlagen. Wie er unter anderem in der Arte-Doku "Der wunderbare Udo Kier" berichtet, sei er dort eines Tages mitten auf der Straße angesprochen worden und habe ohne jegliche Schauspielerfahrung sofort die Gigolo-Hauptrolle in Michael Sarnes "Road to St. Tropez" (1966) verpasst bekommen.
Ein paar Jahre und seltsame Filme später öffnete ihm ein weiterer Zufall erste Türen in die USA, als sich sein Sitznachbar im Flugzeug als Andy Warhols rechte Hand Paul Morrissey entpuppte. Dieser war von dem charismatischen Herumtreiber derartig beeindruckt, dass er sich seine Telefonnummer in seinem Reisepass notierte und ihn nach seiner Rückkehr nach New York umgehend anrief. Sein Angebot: eine kleine Rolle in seinem nächsten Spielfilmprojekt "Andy Warhols Frankenstein". Als Kier nachhakte, um welche Rolle es sich denn handle, kam als Antwort: "Frankenstein."
Warhol-Dracula mit deutschem Akzent
Beeindruckt von Kiers eigenartiger Schönheit, seinem naiv-abgründigen deutschen Akzent und seiner intensiven Performance in dem kultigen Underground-Trash-Streifen, setzte Morrissey den seltsamen Kölner auch noch als Hauptdarsteller für sein nächstes Projekt "Andy Warhols Dracula" (1974) ein.
Zurück in Europa nutzte Kier seinen ersten Ruhm für weitere Coups, sorgte mit seiner Hauptrolle in dem französischen Sado-Maso-Skandalfilm "Die Geschichte der O" (1975) für Schlagzeilen und wirkte dann bis Anfang der 1980er in mehreren Filmen von Rainer Werner Fassbinder mit. Den Regisseur hatte er der Legende nach schon als Teenager in einer Kölner Spelunke kennengelernt und später zufälligerweise wiedergetroffen.
Endgültiger Durchbruch mit "My Private Idaho"
Nach mehreren Filmen mit Star-Regisseur Lars von Trier und schrägen Rollen in Christoph Schlingensiefs cineastischen Irrsinnsprojekten wie "Das deutsche Kettensägenmassaker" sorgte 1991 seine Darstellung des exzentrischen deutschen Freiers Hans Klein in Gus van Sants "My Private Idaho", an der Seite der blutjungen Nachwuchsstars Keanu Reeves und River Phoenix, für Kiers endgültigen Durchbruch in Hollywood. Nach der Premiere des Films blieb er einfach in den USA, um dort richtig durchzustarten.
Es folgten Produktionen mit großen Regisseuren wie Steven Spielberg, in dessen Science-Fiction-Serie "seaQuest DSV" er mitwirkte, sowie größere Rollen in Blockbustern wie "Ace Ventura - Ein tierischer Detektiv" an der Seite des Komödien-Superstars Jim Carrey. Zwischen seinen zahlreichen Engagements in seiner neuen Heimat, in denen er neben Superstars wie Nicole Kidman, Wesley Snipes, Bruce Willis, Christoph Waltz oder Arnold Schwarzenegger zu sehen war, mischte er auch weiterhin in großen und kleinen Produktionen europäischer Regisseure wie Wim Wenders, Lars von Trier, Fatih Akin oder Christoph Schlingensief mit.
Nach vielen Nebenrollen durfte Udo Kier 2021 in Todd Stephens Filmdrama "Swan Song" noch einmal in einer Hauptrolle seine Fähigkeiten als vielschichtiger Charakterdarsteller unter Beweis stellen. Die Rolle, die ihm seinen bislang größten Erfolg bescherte, hatte ihm auf Anhieb gefallen: In dem Werk verkörpert er einen ehemaligen Star-Friseur, der nach einer unerwarteten Erbschaft aus seinem Seniorenheim flieht, um sich auf eine letzte exzentrische Reise zu machen.